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ADB:Agricola, Johann Friedrich

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Artikel „Agricola, Johann Friedrich“ von Arrey von Dommer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 1 (1875), S. 149–150, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Agricola,_Johann_Friedrich&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 13:26 Uhr UTC)
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Agricola: Johann Friedrich A., Componist, Capellmeister und Musikschriftsteller, geb. 4. Jan. 1720 auf dem Rittergute Dobitschen im Altenburgischen, † nach Forkel, Bibl. I. S. 305 12. Nov., nach Schneider, Gesch. d. Berl. Oper S. 177 1. Dec. 1774. Unterricht in der Musik empfing er schon seit dem fünften Lebensjahre durch einen im Clavier- und Orgelspiele wohl bewanderten Schulmeister Namens Martini. Ostern 1738 kam er nach Leipzig auf die Universität und wurde zugleich Joh. Seb. Bach’s Schüler, zuerst auf dem Clavier und der Orgel, später in der Composition, wobei sich ihm nebenher auch mancherlei Gelegenheit zur praktischen Uebung darbot. Nachdem er inzwischen eine Reise nach Dresden gemacht und dort Ostermusiken und Hasse’sche Passionen gehört hatte, wandte er sich im Herbst 1741 nach Berlin, wo er durch sein Orgelspiel sehr bald Aufmerksamkeit erregte und fleißig Arien und Cantaten componirte, wobei ihn Quanz durch Rath und Urtheil wesentlich förderte. Vorzugsweise wandte er sich dem dramatischen Stile zu, worin nun besonders Graun und Hasse seine Vorbilder wurden, wie es früher schon Händel und Telemann gewesen waren. Daß er auch von den älteren und neueren Italienern selbst, desgleichen von den Franzosen sich einige Kenntnisse verschaffte, zeigen seine beiden Briefe des Olibrio[WS 1] über den italienischen und französischen Geschmack (1749). Im Herbst 1750 brachte er ein italienisches Scherzspiel, „Il Filosofo convinto in amore“, zu Potsdam mit Beifall auf die Bühne, in Folge dessen er 1751 unter dem Titel eines Hofcomponisten in königl. preußische Dienste aufgenommen wurde. Nachdem er noch ein zweites Intermezzo, „La Ricamatrice“, für Potsdam geschrieben hatte, machte er eine zweite Reise nach Dresden, wo er die Faustina und die Salimbeni hörte, Hasse kennen lernte und in anregendem Umgange mit Pisendel stand. Im Sommer des Jahres 1751 verheirathete er sich mit der ausgezeichneten Sängerin Benedetta Emilia Molteni von der Berliner Hofoper (s. Burney, Reise III. 61. 65). Seine erste große Oper für die Berliner Bühne, „Cleofide“ von Metastasio, componirte er 1754; ihr folgte das Singspiel „Il tempio d’amore“ 1755, „Achille in Seiroe“ 1765 (mit Beifall), „Amore e Psyche“ 1767 (ohne Glück zu machen), endlich „Oreste e Pylade“ 1772, welche jedoch dem Könige so wenig gefiel, daß sie erst in einer Umarbeitung unter dem Titel „I Greci in Tauride“ mit Erfolg auf die Bühne kam. Daneben setzte A. Kirchencantaten und Instrumentalmusiken, unterrichtete im Gesange, spielte Orgel, und entfaltete eine namhafte schriftstellerische Thätigkeit; auch hatte er im Vereine mit Benda Friedrichs Compositionen in Partitur auszuarbeiten, da der König sich darauf beschränkte, nur die Melodien zu notiren und seine Ideen für die weitere Ausführung durch schriftliche Notizen anzudeuten. Als Graun 8. Aug. 1759 starb, ging die Leitung der Capelle auf A. über, doch erhielt er nicht auch zugleich den Capellmeistertitel. In dieser Wirksamkeit verblieb der fleißige und vielseitig thätige Mann bis zu seinem Tode.

Mit seinen Compositionen hat er durchschnittlich nur sehr mäßige Erfolge gehabt. Da er von der modern italienischen Manier des Hasse und Graun völlig abhängig und überdieß weit schwächer an Erfindung war, reichten seine sonst correcte Satztechnik und manche angenehme Melodien nicht hin, selbst den besten unter seinen Tonwerken mehr als vorübergehende Anerkennung zu verschaffen. Bis auf den 21. Psalm und Choräle im Contrapunkt der Octav sind auch alle Manuscript geblieben. Als Orgelspieler galt er für den besten in Berlin, und ebenso war sein Ruf als vortrefflicher Gesangmeister keineswegs unbegründet; wiewol L. Schneider (a. a. O. 153) erzählt, der Sänger Concialini hätte sich nur ungern dazu verstanden, bei A. den Achill in dessen gleichnamiger Oper einzustudiren, „weil A. wol ein tüchtiger Instrumental-Componist war, aber zu einem Gesangslehrer weder Talent noch Erfahrung besaß“. Jedenfalls [150] aber zeugen seine Anmerkungen zum Tosi wenigstens von guter Kenntniß des Gesanges, und Marpurg spricht auch in dieser Beziehung mit großer Achtung von ihm. Seine Schriften endlich verrathen Geist und Kenntnisse; ähnlich wie Scheibe war auch A. stärker in der Kritik als in der Production. Gedruckt sind: die erwähnten zwei Briefe des Olibrio an den kritischen Musikus an der Spree (Marpurg), Berlin 1749; der zweite ist die Antwort auf Marpurg’s Entgegnung (Kritischer Musikus 1749, 25. März ff.). Ferner verschiedene Aufsätze in Marpurg’s Krit. Briefen und in der Allgem. deutsch. Bibliothek; „Beleuchtung der Frage von dem Vorzuge der Melodie für der Harmonie“, in Cramer’s Magaz. IV. 809; „Anleitung zur Singkunst, a. d. Italien. des Herrn Peter Franz Tosi etc.“, Berlin 1757. Es ist dies das berühmte Werk „Opinioni de’ Cantori antichi e moderni etc.“, welches der genannte große Singmeister 1723 zu Bologna herausgab, von A. übersetzt und mit schätzbaren und ausführlichen Anmerkungen und Zusätzen bereichert. Außerdem hat er Zusätze geliefert zu Adlung’s Mus. mech. organoedi; auch als Mitarbeiter an Sulzer’s Theorie wird er genannt, augenscheinlich aber ohne allen Grund.

Marpurg’s Beiträge I. 148.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Flavio Anicio Olibrio, Pseudonym des J. F. Agricola