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Egon Wellesz

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Egon Joseph Wellesz (* 21. Oktober 1885 in Wien, Österreich-Ungarn; † 9. November 1974 in Oxford) war ein österreichisch-britischer Komponist und Musikwissenschaftler.

Egon Wellesz 1927, Aufnahme von Georg Fayer
Egon Wellesz 1924, Zeichnung von Rudolf Großmann aus der Vossischen Zeitung

Egon Wellesz’ Eltern stammten aus dem ungarischen Teil der Donaumonarchie. Er begann 1904 ein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Ein Jahr später wechselte er ans Institut für Musikwissenschaft zu Guido Adler. Daneben studierte er zwei Jahre lang Kontrapunkt als einer der ersten Privatschüler Arnold Schönbergs.

Im Jahr 1908 promovierte er bei Guido Adler mit einer Arbeit über den Wiener Komponisten Giuseppe Bonno (1711–1788).[1] Im Rahmen des Projekts Denkmäler der Tonkunst in Österreich gab er die Oper Costanza e fortezza von Johann Joseph Fux neu heraus. Wellesz selbst wurde rasch zu einem angesehenen Experten für Barockoper, wandte sich aber bald darauf der Erforschung der orientalischen,[2] insbesondere der byzantinischen Musik zu und entzifferte erstmals eine mittelalterliche byzantinische Notenschrift. Im Jahr 1920 verfasste er weiters die erste Biografie über Arnold Schönberg. 1922 gründete er gemeinsam mit Rudolf Réti die Internationale Gesellschaft für Neue Musik (IGNM).

Über diese Tätigkeiten unterrichtete er als Dozent am Institut für Musikwissenschaft und von 1911 bis 1915 auch als Lehrer für Musikgeschichte am Wiener Musikkonservatorium. Ab 1929 war er weiters außerordentlicher Professor für Musikwissenschaft an der Universität Wien.[1]

Als Sohn ungarischer Juden war Wellesz bis 1908 jüdischer Konfession. In jenem Jahr trat er aus dem Judentum aus, kehrte aber noch im selben Jahr zurück, um Emilie (Emmy) Stross (1889–1987) heiraten zu können. Ihre beiden Töchter, Magda (1909–2006) und Elisabeth (1912–1995), wurden als Jüdinnen geboren. 1917 kehrte Wellesz der jüdischen Konfession endgültig den Rücken. Als Monarchist und Verfasser von „entarteter“ Musik musste Wellesz 1938 über Amsterdam nach England emigrieren. Hier fand er Gelegenheit zur Mitarbeit am renommierten Grove Dictionary of Music and Musicians, hielt Vorlesungen in Cambridge und wurde mit 1. Januar 1939 als Fellow an das Lincoln College der Universität Oxford berufen, deren Ehrendoktor er bereits 1932 – als erster österreichischer Komponist nach Joseph Haydn – geworden war.[1] Im Jahr 1940 wurde er zusammen mit anderen österreichischen und deutschen Exilanten als Enemy Alien für einige Monate interniert und ins Hutchinson Internment Camp auf die Isle of Man gebracht, konnte danach aber seine Tätigkeit in Oxford fortsetzen.[3]

Nachdem er im Jahr 1946 die britische Staatsbürgerschaft erhalten hatte,[4] wurde er von der Stadt Wien und der Republik Österreich mit mehreren Auszeichnungen geehrt. Dennoch erhielt er nie das Angebot, seinen ehemaligen Posten an der Musikuniversität Wien wieder einzunehmen.

Grab von Egon Wellesz

Ein Schlaganfall am 18. Januar 1972 setzte seinen kreativen Tätigkeiten im Alter von 87 Jahren ein Ende. Er starb in der Nacht vom 8. auf den 9. November 1974 in Oxford, sein Ehrengrab befindet sich auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 32 C, Nummer 38).[5] Eine Gedenktafel befindet sich in der Kaasgrabengasse 38, 1190 Wien – Döbling.[4]

Oskar Kokoschka fertigte 1911 ein Porträtgemälde von Wellesz,[6] dessen jüngerer Bruder Bohuslav Kokoschka zeichnete 1911 ein Porträt von Wellesz.

Wellesz’ Schaffen als Komponist umfasst 112 Werke mit Opuszahlen sowie etwa 20 ohne Opuszahl. Er beschäftigte sich mit fast allen Gattungen und komponierte für die Bühne ebenso wie für den Konzertsaal in Form von Orchesterwerken, Solokonzerten, Kammermusik, Klaviermusik, Liedern und Chorwerken.

  • Drei gemischte Chöre, op. 43 (1930), Text: Angelus Silesius
  • Fünf kleine Männerchöre, op. 46 (1932) aus dem Fränkischen Koran von Ludwig Derleth
  • Drei geistliche Chöre, op. 47 (1932) für Männerstimmen zu Gedichten aus Mitte des Lebens von Rudolf Alexander Schröder
  • Zwei Gesänge, op. 48 (1932) nach Gedichten aus Mitte des Lebens von Rudolf Alexander Schröder
  • Quant'è bella Giovinezza, op. 59 (1937), Frottola für Frauenchor
  • Carol, 62a (1944) für Frauenchor
  • Proprium Missae, Laetare, op. 71 (1953) für Chor und Orgel
  • Kleine Messe G-dur, op. 80a (1958) für drei gleiche Stimmen a cappella
  • Alleluia, op. 80b (1958) für Sopran oder Tenor solo
  • Laus Nocturna, op. 88 (1962)
  • Missa brevis, op. 89 (1963) für Chor
  • To Sleep, op. 94 (1965) für Chor
  • Festliches Präludium, op. 100 (1966) über ein byzantinisches Magnificat für Chor und Orgel
  • Heldensang, op. 2 (1905), symphonischer Prolog für großes Orchester
  • Vorfrühling, op. 12 (1912), symphonisches Stimmungsbild für Orchester
  • Suite für Orchester, op. 16 (1913)
  • Mitte des Lebens, op. 45 (1931–1932), Kantate für Sopran, Chor und Orchester
  • Klavierkonzert, op. 49 (1933)
  • Amor Timido, op. 50 (1933), Arie für Sopran und kleines Orchester. Text: Pietro Metastasio
  • Prosperos Beschwörungen, op. 53 (1934–1936), fünf symphonische Stücke nach William Shakespeares The Tempest
  • Lied der Welt, für Sopran und Orchester, op. 54 (1936–1938), Text: Hugo von Hofmannsthal
  • Leben, Traum und Tod, für Alt und Orchester, op. 55 (1936–1937), Text: Hugo von Hofmannsthal
  • Schönbüheler Messe C-Dur, op. 58 (1937) für Chor, Orchester und Orgel
  • Symphonie Nr. 1, op. 62 (1945)
  • Symphonie Nr. 2, op. 65 (1947–1948), Die Englische
  • Symphonie Nr. 3, op. 68 (1949–1951)
  • Symphonie Nr. 4, op. 70 (1951–1953), Austriaca
  • Symphonie Nr. 5, op. 75 (1955–1956)
  • Violinkonzert, op. 84 (1961) Dem Geiger Eduard Melkus gewidmet. Als CD 2010 eingespielt von David Frühwirth.
  • Four Songs of Return, für Sopran und Kammerorchester, op. 85 (1961) nach Texten von Elizabeth Mackenzie
  • Duineser Elegie, op. 90 (1963) für Sopran, Chor und Orchester nach Rainer Maria Rilke
  • Ode an die Musik, op. 92 (1965) für Bariton oder Alt und Kammerorchester, Text: Pindar, in freier Nachdichtung von Friedrich Hölderlin
  • Symphonie Nr. 6, op. 95 (1965)
  • Vision, für Sopran und Orchester, op. 99, (1966), Text: Georg Trakl
  • Mirabile Mysterium, op. 101 (1967) für Soli, Chor und Orchester
  • Symphonie Nr. 7, op. 102 (1967–1968), Contra torrentem
  • Canticum Sapientiae, op. 104 (1968) für Bariton, Chor und Orchester nach Texten des Alten Testaments
  • Divertimento für kleines Orchester, op. 107 (1969)
  • Symphonischer Epilog, op. 108 (1969)
  • Symphonie Nr. 8, op. 110 (1970)
  • Symphonie Nr. 9, op. 111 (1970–1971)
  • Streichquartett Nr. 1, op. 14 (1912)
  • Streichquartett Nr. 2, op. 20 (1915–1916)
  • Geistliches Lied, op. 23 (1918–1919) für Singstimme, Violine, Viola und Klavier
  • Streichquartett Nr. 3, op. 25 (1918)
  • Streichquartett Nr. 4, op. 28 (1920)
  • Sonate für Violoncello solo, op. 31 (1920)
  • Zwei Stücke für Klarinette und Klavier, op. 34 (1922)
  • Sonate für Violine solo, op. 36 (1923)
  • Suite für Violine und Kammerorchester, op. 38 (1924), Alma Moodie gewidmet
  • Sonette der Elizabeth Barrett-Browning, für Sopran und Streichquartett oder Streichorchester, op. 52 (1934)
  • Suite für Violoncello solo, op. 39 (1924)
  • Suite für Violine und Klavier, op. 56 (1937/1957)
  • Suite für Flöte solo, op. 57 (1937)
  • Streichquartett Nr. 5, op. 60 (1943)
  • The Leaden Echo and the Golden Echo. Lied für Sopran, Klarinette, Violoncello und Klavier, op. 61 (1944). Text: Gerard Manley Hopkins
  • Streichquartett Nr. 6, op. 64 (1946)
  • Streichquartett Nr. 7, op. 66 (1948)
  • Oktett, op. 67 (1948–1949) für Klarinette, Fagott, Horn, zwei Violinen, Viola, Violoncello und Kontrabass
  • Sonate für Violine solo, op. 72 (1953/59)
  • Suite, op. 73 (1954) für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott
  • Suite für Klarinette solo, op. 74 (1954)
  • Suite für Oboe solo, op. 76 (1956)
  • Suite für Fagott solo, op. 77 (1957)
  • Fanfaren für Horn solo, op. 78 (1957)
  • Streichquartett Nr. 8, op. 79 (1957)
  • Quintett, op. 81 (1959) für Klarinette, 2 Violinen, Viola und Violoncello
  • Streichtrio, op. 86 (1962)
  • Rhapsody, für Viola solo, op. 87 (1962)
  • Musik für Streichorchester in einem Satz, op. 91 (1964)
  • Fünf Miniaturen für Violinen und Klavier, op. 93 (1965)
  • Partita in Honorem Johann Sebastian Bach, op. 96 (1965) für Orgel
  • Streichquartett Nr. 9, op. 97 (1966)
  • Vier Stücke für Streichquartett, op. 103 (1968)
  • Vier Stücke für Streichtrio, op. 105 (1969, 2. Fassung 1971)
  • Vier Stücke für Streichquintett, op. 109 (1970)
  • Präludium für Viola solo, op. 112 (1971)
  • Marion Brück: Wellesz, Egon. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 27, Duncker & Humblot, Berlin 2020, ISBN 978-3-428-11208-1, S. 740–742 (Digitalisat).
  • Caroline Cepin-Benser: Egon Wellesz (1885–1974). Chronicle of a Twentieth-Century Musician. Peter Lang, New York 1985 (= American University Studies. vol. IX, 8).
  • Robert Schollum: Egon Wellesz. Verlag Lafite, Wien 1985, ISBN 978-3-85151-039-3, S. 80.
  • Otto Kolleritsch (Hrsg.): Egon Wellesz. In: Studien zur Wertungsforschung, vol. 17, 1986, UE, Graz/Wien.
  • Lorenz Wedl: »Die Bacchantinnen« von Egon Wellesz oder das göttliche Wunder. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 1992.
  • Harald Kaufmann: Gespräch mit Egon Wellesz. In: H. Kaufmann: Von innen und außen. Schriften über Musik, Musikleben und Ästhetik. Hrsg. von Werner Grünzweig und Gottfried Krieger. Wolke, Hofheim 1993, S. 181–182.
  • Knut Eckhardt: Das Verhältnis von Klangfarbe und Form bei Egon Wellesz. Edition Re, Göttingen 1994.
  • David Symons: Egon Wellesz. Composer. Florian Noetzel, Wilhelmshaven 1996.
  • Marcus G. Patka, Michael Haas (Hrsg.): Hans Gál und Egon Wellesz: Continental britons. Ausstellung „Continental Britons – Hans Gál und Egon Wellesz“ des Jüdischen Museums der Stadt Wien vom 25. Februar – 2. Mai 2004 (= Musik des Aufbruchs). Im Auftrag des Jüdischen Museums Wien. Mandelbaum-Verlag, Wien 2004, ISBN 3-85476-116-3.
  • Jürgen Maehder: Das Quiché-Drama »Rabinal Achí«, Brasseur de Bourbourg und das Tanzdrama »Die Opferung des Gefangenen« von Egon Wellesz. In: Peter Csobádi, Ulrich Müller et al. (Hrsg.): Das (Musik)-Theater in Exil und Diktatur und seine Rezeption. Vorträge und Gespräche des Salzburger Symposiums 2003. Müller-Speiser, Anif/Salzburg 2005, S. 628–644.
  • Pietro Massa: Antikerezeption und musikalische Dramaturgie in »Die Bakchantinnen« von Egon Wellesz. In: Peter Csobádi, Ulrich Müller et al. (Hrsg.): Das (Musik)-Theater in Exil und Diktatur und seine Rezeption. Vorträge und Gespräche des Salzburger Symposiums 2003. Müller-Speiser, Anif/Salzburg 2005, S. 418–435.
  • Stefan Schmidl: Wellesz, Egon. In: Oesterreichisches Musiklexikon. Online-Ausgabe, Wien 2002 ff., ISBN 3-7001-3077-5; Druckausgabe: Band 5, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 2006, ISBN 3-7001-3067-8.
  • Jörg Bierhance: The Observation of Form: The form analysis method of Constantin Bugeanu in reference to the 1st and 5th Symphonies of Egon Wellesz. Academia, 2018.
  • Walter Oakeshott: Egon Wellesz, 1885–1974. In: Proceedings of the British Academy. Band 61, 1976, S. 567–587 (thebritishacademy.ac.uk [PDF]).
  • Wellesz, Egon Joseph. In: Werner Röder; Herbert A. Strauss (Hrsg.): International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945. Band 2,2. Saur, München 1983, S. 1233f.

Einzelnachweise

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  1. a b c Nina-Maria Wanek: Egon Wellesz. In: Claudia Maurer Zenck, Peter Petersen (Hrsg.): Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit. Universität Hamburg, Hamburg 2006.
  2. Egon Wellesz: Miscellanea zur orientalischen Musikgeschichte. In: Zeitschrift für Musikwissenschaft, 1, 1918, S. 505–515, und 2, 1919, S. 240 ff.
  3. Musik des Aufbruchs. (Memento vom 17. September 2012 im Webarchiv archive.today) Jüdisches Museum Wien 2004, Beginn der Ausstellungsreihe mit „Continental Britons“ (Hans Gál und Egon Wellesz)
  4. a b Stefan Schmidl: Wellesz, Egon Joseph. In: Oesterreichisches Musiklexikon online. Abgerufen am 18. März 2021.
  5. Ehrengrab von Egon Wellesz auf Kunst und Kultur in Wien – Ehrengräber
  6. Eintrag im Werkverzeichnis.
  7. Preis der Stadt Wien. Musik (1947 – dato) im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  8. Wellesz, Egon. In: Memoirs of Fellows. The British Academy (PBA 61)
  9. Großer österreichischer Staatspreis für Musik – Preisträger. Bundesministerium Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport; abgerufen am 16. Februar 2021